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Gemeinsam mit Katharina Horn habe ich das letzte Aufklärungsbuch für Kinder nach Embryonenspende, die mit einer Solomutter aufwachsen, geschrieben. Hier ein Interview mit ihr, das im Juni 2022 stattgefunden hat:

 

Petra Thorn:

Liebe Katharina, wir kennen uns über die gemeinsame Arbeit bei der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung (www.bkid.de) schon eine ganze Weile. Vor einiger Zeit bin ich auf dich zugegangen und habe dich gefragt, ob du Interesse hast, an einem Aufklärungsbuch für Kinder mit Solomüttern mitzuarbeiten (www.famart.de | Kinderbücher). Du hast spontan zugesagt – und ich glaube, auch über meine Anfrage gefreut. Wie genau bist du denn zu dem Thema „Solomütter“ gekommen?

Katharina Horn:

Ja, gefreut habe ich mich sehr. Denn Solomutterschaft ist in den letzten Jahren zu meinem Herzensthema geworden. Ich selbst bin eine Solomutter, d.h. ich habe ein Kind aus einer Samenspende, ohne dass es zu diesem Zeitpunkt einen Partner gab. Nach meinen anfänglichen Versuchen, mehr Antworten auf meine Fragen zur Solomutterschaft zu erhalten, hat sich mittlerweile auch mein beruflicher Schwerpunkt entwickelt. Als Kinderwunschberaterin berate, unterstütze und begleite ich alleinstehende Personen mit Kinderwunsch und Solomütter in allen Phasen – von der Entscheidungsfindung theoretisch bis zum Kennenlernen des Samenspenders 16 bzw. 18 Jahre später nach Geburt des Kindes. Durch mein Solomutternetzwerk habe ich viele Gruppen und Orte geschaffen, an denen sich Solomütter zu verschiedenen Themen treffen und austauschen, so auch zur Eizell-/ und Embryonenspende. Besonders bei dieser Personengruppe fällt mir immer wieder auf, dass die Aufklärung ein schwerer Schritt ist und oft auch einfach praktische Ideen zur Herangehensweise fehlen. 

Du kennst also das Thema, weil du selbst diesen Weg gewählt hast. Wie alt ist dein Kind denn nun und wie hast du die Aufklärung umgesetzt?

Mein Sohn ist 3,5 Jahre alt. Ich wusste damals wirklich sehr wenig. Irgendwann bin ich auf den FamART gestoßen und habe mir direkt das Solomutterschaftsexemplar (https://www.famart.de/shop/kinderbuecher/solo-mutter/) bestellt. Ab Geburt habe ich kleine Sätze aus dem Buch oder ähnliche Sätze formuliert. Durch eine Veranstaltung mit dem FE-Netz (www.fe-netz.de) habe ich später den Begriff des Wickelkommodentalks gelernt, den ich sehr hilfreich empfinde. Denn Aufklärung kann jederzeit und überall stattfinden.

Später, mit 6 Monaten, konnte ich mit meinem Sohn mal eine Seite des Buches vorlesen. In diesem Alter geht es eher darum “Oh schau mal, ein Mond” oder “Das bist Du!”. Durch die Fotos in Büchern werden Kinder Teil der Geschichte. Das hat mir gut gefallen. Je älter mein Sohn wurde, desto mehr Seiten konnten wir lesen. Das war für mich wichtig, denn ich musste die Geschichte üben. Auch als ausgebildete Pädagogin wäre es mir sicher nicht leicht gefallen, eine so komplexe Geschichte kindsgerecht aus dem Stand heraus zu formulieren. Deshalb ist die Übung in der Anfangszeit v.a. für die Solomütter selbst wichtig. Ab ca. 2 Jahren habe ich Alltagssituationen genutzt. Das Bücherregal für Kinderbücher zur Aufklärung ist mittlerweile auch gewachsen (siehe: www.kiwu-beratung.de/kinderbuecher-zur-aufklaerung-ein-startpaket-fuer-solomuetter). Heute erzähle ich die Geschichte auch oft, ohne dass wir das Buch lesen, z.B. zur Einschlafbegleitung oder beim Einkaufen.

Wie hat denn dein Umfeld auf deine Familienform reagiert? Hattest du Verständnis oder wurdest du auch kritisiert – nach dem Motto „Wie kann man nur bewusst ein Kind ohne Vater aufziehen“?

Ich selber hatte ein tolles Umfeld und überhaupt keine negative Kritik. Aus meiner Arbeit weiß ich, dass so etwas vorkommen kann. Vor allem macht es auch einen Unterschied, wo ich wohne und wer zu meinem Freundeskreis gehört. Dieses angesprochene Vorurteil kenne ich aber zu genüge aus den sozialen Medien. Wie bei allen Vorurteilen hilft es, sich mit der entsprechenden Person auseinanderzusetzen. Was steckt denn meistens dahinter? Z.B. die Vorstellung, den durch Samenspende gezeugten Kindern würde es per se immer schlecht gehen. Die Forschung sagt da etwas anderes. Früher gab es einen ganz anderen Umgang mit diesem Thema. Die Samenspender waren erstens anonym und zweitens wurde den Eltern früher empfohlen, die Kinder nicht aufzuklären. Heute wissen wir, jeder Mensch hat das Recht zu erfahren, von woher er abstammt. Und heute ist auch keine anonyme Samenspende mehr in Deutschland möglich. Habe ich mich also bewusst dafür entschieden ein Kind zu bekommen? JA! Das heißt aber nicht, sich gegen eine*n Partner*in zu entscheiden. Es ist nun mal im Moment keine Person da, die diesen Kinderwunsch mit mir teilt. Ich kann also entweder den Kinderwunsch aufgeben – oder ich mach es allein. Der*die Partner*in kann später immer noch kommen. Nur ein ganz kleiner Teil meiner Klient*innen ist asexuell oder aromantisch. Aber auch diese Solomütter sind nicht allein.

Solomutterschaft bedeutet eben nicht, allein zu sein. Viele Solomütter, die ich kennenlernen durfte, sind vernetzt. Die meisten überlegen lange (1-5 Jahre), bereiten sich vor, sparen, ziehen um, weiten Netzwerke aus und reflektieren jeden Schritt mit ihren engen Freund*innen. Und ja, mein Kind hat am Ende keinen Vater, aber eine große Framily (bestehend aus Freund*innen und Familie). 

Und wie bist du im Kindergarten, in der Kinderkrippe damit umgegangen?

Ich habe zum Kennenlerngespräch direkt die Aufklärungsbriefe mitgebracht (www.famart.de | bonus | Info-Briefe). Erzieher*innen erlebe ich als bemüht, wie viele Fachkräfte in diesem Bereich wissen allerdings die meisten nicht, wie man mit Kindern nach Samenspende umgeht. Einige haben Angst, durch ihre Worte etwas “kaputtzumachen” mit der Konsequenz, dass sie sich aus solchen Situationen rausziehen. Die meisten benötigen nur einen kleinen Schubser oder manchmal nur eine Erlaubnis: “Ja, es ist ok.” Ich spreche in meiner Beratung immer von Handlungsanleitungen: Wie möchte ich, dass mit meinem Kind umgegangen wird? Welche Begriffe nutzen wir? Was darf das Gegenüber fragen? Allein die Erlaubnis auszustellen, ist für viele schon erleichternd und hilft, sich diesem Thema anzunähern. 

Vielen hilft auch ein Beispiel, zu sehen, wie ich mit meinem Sohn darüber spreche. Deshalb werde ich bald in die Kita gehen und ein Aufklärungsbuch (Wo ist Karlas Papa?) vorlesen. Wir Solomütter müssen unseremGegenüber oft erstmal zeigen, wie das geht – so offen darüber zu sprechen. 

Dein Sohn ist nun 3,5 Jahre alt. Du kannst also ein bisschen zurückschauen und eine Einschätzung geben, was bei der Aufklärung bei Kindern wichtig ist und was im Nachgang vielleicht gar nicht so relevant ist. Was würdest du denn anderen Solomüttern mit auf den Weg geben?

Ich würde mindestens die nächsten Punkte als wichtig erachten:

  1. Das Wissen, Kinder von Solomüttern entwickeln sich normal. 
  2. Das Kind sollte wissen, wie es entstanden ist
  3. Das Kind sollte wissen, was Familie ist, wie unterschiedlich Familie aussehen kann und dass jede Familienform normal ist. 
  4. Auch das (dem Kind nahe) Umfeld muss wissen: Wie darf ich darüber sprechen? 
  5. Wartet nicht mit der Aufklärung. je länger Ihr wartet, desto schwieriger wird es. Ab Geburt habt ihr Zeit, damit zu starten, dann wird es Euch von Anfang an begleiten. 

Unser Aufklärungsbuch richtet sich ja an Solomüttern mit Kindern nach Embryonen- oder Doppelspende. Wie häufig kommt dies denn in deinem Beratungsalltag vor? Glaubst du denn, dass dieses Phänomen in Großstädten, z.B. in Berlin, wo du lebst, häufiger vorkommt als auf dem Land?

Also das Thema wird in jedem Fall immer präsenter. Grundsätzlich ist die Zahl der Ratsuchenden, die den Weg der Solomutterschaft gehen wollen, in den letzten Jahren deutlich gestiegen. So enden auch immer mehr Wege für Wunsch-Solomütter an den deutschen Kinderwunschkliniken. Oft liegen mehrere Kinderwunschbehandlungen hinter den Wunschmüttern. Wenn ich bspw. nicht in der Nähe eines großen Kinderwunschzentrums wohne, kann es sein, dass ich bereits früher diesen Wunsch aufgebe, weil ich es logistisch gar nicht umsetzen kann. Denn in Deutschland herrscht ein großer Flickenteppich, was die Kinderwunschzentren angeht. Manche Wunschmütter müssen für ihre Behandlung mehr als drei Stunden fahren, weil in ihrem Bundesland keine Behandlung Alleinstehender durchgeführt wird.  Grundsätzlich fällt es aber auch Wunschmüttern leichter, sich für diesen Weg zu entscheiden, wenn sie in einer Stadt/Region wohnen, in der verschiedene Wege jenseits der Heteronorm etablierter oder mehr vertreten sind. Ich erlebe derzeit einen Fokus auf die drei Städte Berlin, Hamburg und Köln. 

Ich erfahre von vielen Solomüttern, dass die Aufklärung über die Samenspende einfacher ist als über die Eizellspende. Woran kann dies liegen?

Das ist auch meine Erfahrung. Schon merkwürdig. Auch die Bereitschaft Eizellen zu spenden ist bei vielen deutlich geringer als Samen zu spenden.

Erstens ist dieser Weg noch sehr unbekannt. Durch das Verbot der Eizellspende in Deutschland wird dies nochmals weiter tabuisiert. Einige Solomütter nach einer Doppelspende fürchten Konsequenzen im Inland: Verweigerung der Weiterbehandlung, finanzielle Nachteile, sogar strafrechtliche Konsequenzen. Diese Furcht ist jedoch unbegründet, es ist nicht verboten, sich im Ausland behandeln zu lassen. Dadurch wächst aber sogleich das Tabu, über diesen Weg zu sprechen. Und solange Ärzt*innen und Berater*innen sich strafbar machen, wenn sie allzu konkret über diesen Weg beraten, ist es schwer, sich von diesem Tabu zu lösen. Grundsätzlich ist es auch immer die Frage der Identität: Was weiß ich über das abgebende Paar/ oder den Samenspender und die Eizellspenderin? Wenn ich mit meinen Klient*innen über ihren Weg und Umgang mit der Geschichte spreche, so fällt es v.a. jenen schwer, die ihrem Kind keine Angabe zur Identität ihrer biologischen Eltern machen können. Nicht alle Länder vermitteln offene Spenden. Zudem sind offene Spenden meistens teurer. Als alleinstehende Person muss ich im Inland sowieso die ganze Kinderwunschbehandlung selbst bezahlen. Am Ende eines vielleicht sehr langen Weges ist der vielleicht kurze Weg zu einem nahen Kinderwunschzentrum mit geringeren Kosten für eine Wunschmutter die einzige Lösung, meinen Kinderwunsch überhaupt noch umsetzen zu können. Zu einem solchen Zeitpunkt ist manchmal wenig Platz für Gedanken zur Aufklärung. Manche Solomütter, die diesen Weg gehen, setzen sich erst im zweiten Schritt mit der Aufklärung auseinander, weil es vorher nur heißt: „Klappt es überhaupt oder werde ich nie ein Kind bekommen?“. Auch die landestypischen Bedingungen z.B., wie die Eizellspenderin zu welchen Bedingungen entlohnt wird, welche Risiken sie eingehen etc. werfen manchmal ethische Dilemmata auf. Schließlich gibt es auch hier noch zu wenig Forschung, und viele fragen sich “Wie geht es Kindern nach Doppel-/ Embryonenspende”? Wir brauchen noch viel mehr Beispiele. Samenspende bei Alleinstehenden ist noch ziemlich unbekannt, Eizellspende oder Embryonenspende noch wesentlich unbekannter. Wir brauchen mehr Beispiele von aktiven Solomüttern, die von Anfang an pro Aufklärung sind. Nur so können Tabus gebrochen und Stigmata aufgelöst werden. 

Du bist sehr auf social media aktiv und bietest sehr viel Vernetzungsmöglichkeiten an, an manchen bin ich ja auch beteiligt. Wie findet man denn als Solomutter deine ganzen Angebote?

Als erstes kannst Du Dich auf meiner Website umsehen: www.kiwu-beratung.de

Hier kannst Du meinen Newsletter abonnieren, und ich informiere Dich zu den verschiedenen Vernetzungstreffen, z.B. über das nächste Onlinetreffen für Solomütter nach Doppel-/ oder Embryonenspende am 03.08. 15 Uhr.

Auf Instagram bin ich hier zu finden: www.instagram.com/kiwu.beratunghorn/

Du kannst aber auch erst mal in der Solomüttergruppe auf facebook reinschauen. www.facebook.com/groups/solomuetter/

Liebe Katharina, vielen Dank für die Einblicke in deine Arbeit und in deine private Situation!
Petra

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